Von seiner Gründung im Jahr 1902 bis heute erfüllt der serbische Bildungs- und Kulturverein "Prosvjeta" seine große Rolle bei der Erhaltung und Entwicklung der Kultur und Spiritualität des serbischen Volkes. Es wird angenommen, dass die Aktivitäten von "Prosvjeta" bei der Bewahrung der kulturellen, spirituellen und nationalen Identität des serbischen Volkes unmittelbar hinter der Rolle der serbisch-orthodoxen Kirche auf diesem Gebiet stehen.
Im Jahr 1901 wurde unter 29 jungen serbischen Intellektuellen die Idee geboren, Schülern und Studierenden aus armen Verhältnissen den Zugang zur höheren Bildung zu ermöglichen und zu diesem Zweck eine gemeinnützige Organisation zu gründen.
Die Notwendigkeit für so eine Unterstützung war groß. Von der Annexion des Landes durch Österreich-Ungarn im Jahr 1878 bis zur Gründung des Vereins „Prosvjeta“ 1902 hatten in ganz Bosnien und Herzegowina nur 188 junge Menschen das Gymnasium absolviert, darunter Serben, Muslime, Kroaten, Tschechen, Polen u.a., und im ganzen Land gab es nur 30 Hochschüler serbischer Herkunft (Quelle: Dr. Božidar Madžar: „Der Serbische Bildungs- und Kulturverein Prosvjeta von 1902 bis 1949“). Als die 29 Gründungsmitglieder den Antrag zur Gründung eines gemeinnützigen Vereins an die österreichisch-ungarische Verwaltung in Sarajevo stellten, war diese Initiative nicht gern gesehen. Doch nach der Prüfung der Statuten durch die Regierung Benko wurden diese am 5. Juli 1902 genehmigt. Unmittelbar darauf wurden die Vereinsziele der Bevölkerung verkündet, und die Gründungskonferenz erfolgte am 31. August 1902 in Sarajevo. Der erste Vereinsobmann war Herr Risto Hadži-Damjanović und sein Stellvertreter war Dr. Risto Jeremić, der erste Chirurg in Bosnien-Herzegowina, Vordenker und Initiator zahlreicher Aktivitäten im Bereich der Gesundheit, der Kultur und des Sports.
Die Gründung des gemeinnützigen Vereines, der sich als Vorreiter für eine gebildete, europäische Gesellschaft sah, löste im serbischen Volk große Begeisterung aus. Die serbisch-orthodoxe Kirche, bis dahin eine der sehr wenigen Institutionen des Wissens, begrüßte und segnete die Gründung des SBKV „Prosvjeta“. Savo Kosanović, der damalige Mitropolit für Bosnien, schrieb an den Verein: «Ich wünsche euch Gottes Segen und begrüße mit großer Freude die Gründung dieses Vereines zu dieser für unser Volk entscheidenden Stunde. Ich beschenke den Verein mit 500 Kronen.»
Diese großzügige Geldgabe hatte nicht nur symbolischen Charakter. Der SBKV „Prosvjeta“ wurde aus freiwilligen Spenden der Mitglieder finanziert, viele Kaufmänner förderten den Verein mit zum teil hohen Beträgen oder überließen sogar ihre Immobilien dem Verein. Zieht man die begrenzten Kommunikationswege, die überwiegend arme bäuerliche Bevölkerung und die Abgeschiedenheit vieler Regionen in Betracht, so war die stets wachsende Zahl der Mitglieder ein deutliches Zeichen für die große Unterstützung, die die Idee des SBKV „Prosvjeta“ in der Bevölkerung genoss.
Bereits 1912, nur zehn Jahre nach seiner Gründung, zählte der SBKV „Prosvjeta“ rund 7000 Mitglieder und verfügte über 70 lokale Zweigvereine mit jeweils mindestens 50 Mitgliedern.
Die Förderung Lernwilliger aus armen Verhältnissen und die finanzielle Unterstützung Studierender war die wichtigste Aufgabe des Vereines. Die ersten Stipendien, die der SBKV „Prosvjeta“ gewährte, waren 80 Kronen monatlich für eine junge Frau, welche die Hebammenschule in Graz oder in Wien besuchen wollte; 40 Kronen für einen Studenten der pädagogischen Hochschule sowie 20 Kronen für einen Gymnasiasten.
Allein im Schuljahr 1902/1903 wurden vom Verein die folgenden Förderungen ausbezahlt: Stipendien für 21 Studierende an den Hochschulen, 39 Gymnasiasten, 2 Schüler der höheren technischen Fachschule, 12 Studierende der Lehrerausbildungsstätte, 5 Studierende der Kaufmannsschule und 10 Stipendien für Schülerinnen der Mädchenschule. Ab 1910 förderte der SBKV „Prosvjeta“ auch die Handwerkerausbildung: Schmiede, Dreher, Schuhmacher, Buchbinder, Seifensieder etc.
Zur Verbesserung der Lebensbedingungen junger Menschen begann man bald, Schülerheime zu errichten. Das erste Schülerheim des SBKV „Prosvjeta“ wurde im Jahr 1909 in Mostar gegründet. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kamen weitere Schülerheime in Banja Luka (1919) und Bosanska Gradiška (1923) hinzu.
Die Leitung des Vereines hatten von Anfang an junge Intellektuelle inne, die diese Aufgabe ehrenamtlich erfüllten. Als der Verein wuchs und die Arbeit nicht mehr bewältigt werden konnte, wurde vom SBKV „Prosvjeta“ in 1905 der erste bezahlte Angestellte aufgenommen: Petar Kočić. Der in Wien studierte Jungrevolutionär und Satiriker wurde 1910 ins bosnische Parlament gewählt und als Gegner der Besatzungsmacht politisch verfolgt und mehrmals inhaftiert. Sein 1904 in Wien entstandenes Werk „Jazavac pred sudom“, eine kampflustige, ironische und scharfsinnige Satire über die österreichische Willkür, ist heute ein Klassiker der serbischen Literatur. Damals beflügelte die Satire viele Unterdrückte. Wegen der Teilnahme am Generalstreik 1906 wurde Petar Kočić aus Sarajevo verbannt und musste die Mitarbeit beim SBKV „Prosvjeta“ beenden.
Der SBKV „Prosvjeta“ setzte seine Tätigkeit fort. Die Alphabetisierung und kulturelle Erbauung des serbischen Volkes waren die Hauptziele. Laut der Volkszählung aus dem Jahr 1910 waren 87,84% der über Siebenjährigen Analphabeten. Aufgrund des Lehrermangels arbeiteten an der Alphabetisierung Gelehrte, Priester und Studierende, die vom SBKV „Prosvjeta“ unterstützt wurden.
Über 20000 Exemplare der Fibel der serbischen Sprache wurden gedruckt und kostenlos ausgeteilt. Ebenso wurden zeitgenössische Werke und Klassik unter dem Volk verteilt, um die Lesekultur zu fördern. Gleichzeitig wurden Bibliotheken in verschiedenen Städten und Dörfern gegründet, obwohl die Bücher in Serbien beschaffen werden mussten.
Der SBKV „Prosvjeta“ brachte eigene Zeitschriften heraus und verteilte die Publikationen „Zdravlje“ (Gesundheit) und „Narodne Novine“ (Volkszeitung) an die Abonnenten, doch diese Tätigkeit musste wegen des Verbots durch die von Österreich-Ungarn eingesetzte Regierung eingestellt werden.
Der gemeinnützige Charakter des SBKV „Prosvjeta“ beschränkte sich nicht auf Bildungs- und Kulturangebote. Man strebte im Rahmen des Möglichen, die Situation der Bauern zu verbessern und gründete im Jahr 1908 Bauerngenossenschaften, welche es den Bauern ermöglichen sollten, das von ihnen bestellte Land vom Staat abzukaufen und so unabhängig zu werden. Die Bauerngenossenschaften wurden zu Zentren des kulturellen Lebens in vielen Dörfern.
Die Tätigkeit des SBKV „Prosvjeta“ zur Bildung, Aufklärung und zum Gemeinwohl des serbischen Volkes stand damals den österreichischen Interessen teilweise entgegen und wurde daher von der österreichischen Besatzungsbehörde nur ungern geduldet und vielfach verboten und obstruiert.
Der Verein stand von seiner Gründung unter strenger Beobachtung durch die Besatzungsmacht und musste viel Geschick beweisen, um die Konflikte mit der Behörde zu vermeiden. Trotz aller Vorsicht wurde im Jahr 1913, während der Balkankriege, die Tätigkeit des SBKV „Prosvjeta“ untersagt. Am 31. Jänner 1915 wurde der SBKV „Prosvjeta“ von der Behörde aufgelöst und alle seine Güter wurden konfisziert. Im gleichen Zug wurden alle serbischen Gesellschaften, Vereine und Organisationen aufgelöst. Die Mitglieder des Vereinsvorstands wurden 1916 des Hochverrats an der k. u. k. Monarchie beschuldigt und in Banja Luka vor Gericht gestellt: Vereinsobmann Sima Mirković, Schriftführer Vasilj Grdić und Herausgeber der Zeitschrift „Prosvjeta“ Dr. Vladimir Ćorović. Auf schriftlichen Beschluss der Behörde wurden 120 serbische Grundschulen geschlossen und 198 Lehrerinnen und Lehrer entlassen.
Nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Verein seine Tätigkeit am 10. November 1918 wieder auf, obwohl dies bedeutete, alles von Anfang an zu beginnen.
Zum zweiten Mal in seiner Geschichte wurde der SBKV „Prosvjeta“ im Jahr 1941 durch die Besatzungsbehörde der kroatischen faschistischen Ustaša-Bewegung verboten. Das gesamte bewegliche und unbewegliche Eigentum des Vereins wurde konfisziert, die Vereinsmitglieder wurden verbannt oder getötet. An eine Fortsetzung der Tätigkeit konnte man gar nicht denken.
Nach der Befreiung 1945 trug der SBKV „Prosvjeta“ zum Wiederaufbau des Landes und der Wiederherstellung des Kulturbetriebes bei. „In der Gesellschaft [des sozialistischen Jugoslawiens] wurden [jedoch] solche Verhältnisse geschaffen, die jegliche Betätigung mit nationalen Inhalten unmöglich machten und unverzüglich unter Verdacht der Staatsorgane stellten, auch wenn es dabei um die Bildung im Allgemeinen ging“, schrieb der Historiker Dr. Božidar Madžar in seinem Werk über die Geschichte des SBKV „Prosvjeta“. Am 26. März 1949 musste „Prosvjeta“ seine Tätigkeit einstellen und das gesamte Eigentum dem jugoslawischen Staat bzw. seinem Verband der Kulturvereine übergeben. Das war praktisch die dritte Auflösung des SBKV „Prosvjeta“, des bis dahin der größten und bedeutendsten serbischen Bildungs- und Kulturvereins, der in der Geschichte des serbischen Volkes eine wichtige Rolle spielte.
Erst 49 Jahre später, am 28. Juni 1990 wurde der SBKV „Prosvjeta“ wieder erneuert und bekam neue Vereinsstatuten, welche die Ziele, Inhalte und Aufgaben des Vereins regeln.
Die wichtigsten Ziele des Vereines sind u.a. die Auseinandersetzung mit der serbischen Geschichte, die Erforschung und Bewahrung des serbischen Kulturerbes, die Förderung der Wissenschaft, der Literatur und der Kunst, die Verlagstätigkeit, die Förderung der Lesekultur, die Bewahrung der serbischen sprachlichen Identität basierend auf der von Vuk Karadžić begründeten modernen Schrift und Rechtschreibung, die Pflege des serbischen Kulturerbes durch finanzielle Unterstützung und Gründung von Museen und Gedenkstätten, die Erhaltung der bedeutenden serbischen Namen im öffentlichen Bewusstsein durch die Benennung von Straßen, Ortschaften und Institutionen, die Erhaltung der kyrillischen Schrift, die Gründung von Bildungs- und Kulturzentren und Vereinen sowie die Zusammenarbeit mit der serbisch-orthodoxen Kirche.
Heute existieren zahlreiche Zweigvereine des SBKV „Prosvjeta“ in vielen Ländern weltweit. Der serbische Bildungs- und Kultur Verein „Prosvjeta Österreich“ wurde am 21. Mai 2011 im Festsaal der Universität Wien gegründet. Die Statuten des Vereins und seine Plattform finden Sie im Menü „Über uns“.